Kassen-Nachschau
Mit der Kassen-Nachschau nach § 146b Abgabenordnung (AO) gibt der Gesetzgeber der Finanzverwaltung ein Instrument zur Überwachung von Kassenführung bei Steuerpflichtigen. Die Kassen-Nachschau ist zeitlich die jüngste Nachschau, die der Gesetzgeber in das deutsche Steuerrecht aufgenommen hat. Sie wurde mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 (BGBl. I 2016, 3152) in die Abgabenordnung eingefügt.
Die neu geschaffene Kassen-Nachschau flankiert die Regelungen der Abgabenordnung zur Ordnungsmäßigkeit von Buchführung und von Aufzeichnungen nach § 146 AO und nicht zuletzt auch die neuen Bestimmungen zu Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme nach § 146a AO, die ebenfalls mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 in das deutsche Recht aufgenommen wurden.
Kassen-Nachschauen können ab dem 01.01.2018 vorgenommen werden. Die Prüfung von elektronischen Aufzeichnungssystemen im Sinne des § 146b Abs. 1 Satz 2 AO und die Forderung nach Datenübermittlung über die einheitliche Schnittstelle durch die Finanzverwaltung gem. § 146a Abs. 1 Satz 3 AO können allerdings erst ab dem 01.01.2020 erfolgen .
I. Zulässigkeit der Kassen-Nachschau
Eine Kassen-Nachschau nach § 146b AO ist eine Maßnahme der Finanzverwaltung eigener Art und keine Außenprüfung im Sinne § 193 ff. AO. Regelungen der Abgabenordnung zur Außenprüfung, insbesondere zur Notwendigkeit der Prüfungsanordnung, der Schlussbesprechung, des Prüfungsberichts etc., sind auf die Kassen-Nachschau nach § 146b AO nicht anwendbar.
Die Kassen-Nachschau kann sich gem. § 146b Abs. 1 Satz 2 AO ab dem 01.01.2020 auch auf die Prüfung des ordnungsgemäßen Einsatzes des elektronischen Aufzeichnungssystems nach § 146a Absatz 1 AO erstrecken. Ab diesem Zeitpunkt kann die Finanzverwaltung auch die Datenübermittlung über die einheitliche Schnittstelle durch die Finanzverwaltung gem. § 146a Abs. 1 Satz 3 AO fordern.
Einer Kassen-Nachschau können nicht nur elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen, sondern auch Taxameter, Geldspielgeräte, Wegstreckenzähler, App-Systeme oder offene Ladenkassen unterzogen werden.
§ 146b AO enthält keine Kriterien, nach denen die Finanzverwaltung Steuerpflichtige für eine Kassen-Nachschau auswählt. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit seinem Schreiben vom 29.05.2018 (IV A 4 — S 0316/13/10005: 054, BStBl 2018 I S. 699) zwar den Anwendungserlass zur Abgabeordnung (AEAO) um Verwaltungsrichtlinien zum § 146b AO erweitert, jedoch keine hinreichende Bestimmungen zum bezeichneten Auswahlermessen der Finanzverwaltung niedergelegt. Es ist deshalb unklar, ob die Finanzverwaltung einen konkreten Anlass braucht, um bei einem bestimmten Steuerpflichtigen eine Kassen-Nachschau durchführen zu können.
Zwar darf die Finanzverwaltung keine willkürlichen Ermittlungen (sog. Ermittlungen „ins Blaue hinein“) vornehmen. Allerdings billigt die Rechtsprechung hier der Finanzverwaltung einen weiten Ermessenspielraum zu, sofern Anhaltspunkte vorliegen, die eine Nachschau bei einem bestimmten Steuerpflichtigen rechtfertigen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass für die Durchführung einer Kassen-Nachschau die Finanzverwaltung lediglich Anhaltspunkte für die Ermittlungen im Sinne § 146b AO und keinen konkreten Anlass benötigt.
II. Durchführung von Kassen-Nachschauen
Nach § 146b Abs. 1 Satz 1 AO können Amtsträger der Finanzverwaltung, die mit der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben betraut sind – in der Praxis überwiegend Kassenprüfer – Geschäftsräume und Geschäftsgrundstücke von Steuerpflichtigen während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können.
Das Gesetz unterstellt explizit nur „Geschäftsräume und Geschäftsgrundstücke von Steuerpflichtigen“ einer Kassennachschau nach § 146b AO. Abzulehnen ist deshalb die Ansicht des BMF in seinem Schreiben vom 29.05.2018, dass der Kassen-Nachschau auch Fahrzeuge des Steuerpflichtigen unterfallen, „die land- und forstwirtschaftlich, gewerblich oder beruflich vom Steuerpflichtigen genutzt werden“ (BMF-Schreiben vom 29.05.2018, IV A 4 — S 0316/13/10005: 054, BStBl 2018 I S. 699).
Das Betreten von Wohnräumen gegen den Willen des Steuerpflichtigen im Rahmen einer Kassen-Nachschau ist gem. § 146b Abs. 1 Satz 3 AO nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig. Solche Gefahr wird bei einer Kassen-Nachschau nur in engen Ausnahmefällen vorliegen, etwa wenn der Steuerpflichtige in der Wohnung Beweise in Bezug auf Manipulationen von Softwaren im Sinne § 146a Abs. 1 Satz 5 AO vernichtet und ohne das Betreten der Wohnung die Beweise verlorengingen.
Hervorzuheben ist insbesondere, dass die Kassen-Nachschau nur das Betretungsrecht gewährt, das Durchsuchungsrecht jedoch nicht erlaubt, auch nicht zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne § 146b Abs. 1 Satz 3 AO. Unter einer „Durchsuchung“ wird das “ziel- und zweckgerichtete Suchen nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhaltes” verstanden, “um etwas aufzudecken, was der Inhaber der Wohnung bzw. des Grundstücks von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will”. Demgegenüber meint das „Betreten“ lediglich den Aufenthalt in den Räumlichkeiten bzw. auf dem Grundstück oder das Passieren der betreffenden Räumlichkeiten bzw. des Grundstücks, ohne nach Personen oder Sachen zu suchen. Die betreffende Unterscheidung ist für die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, sich gegen Maßnahmen der Finanzverwaltung im Rahmen einer Kassen-Nachschau zu wehren, zentral.
Die zur Kassen-Nachschau erschienenen Amtsträger der Finanzverwaltung können gem. § 146b Abs. 2 Satz 1 AO vom Steuerpflichtigen verlangen, Aufzeichnungen, Bücher sowie sonstige für die Kassenführung erhebliche Unterlagen vorzulegen. Darüber hinaus können sie auch den Kassensturz verlangen, um Ordnungsmäßigkeit von Kassenaufzeichnungen zu prüfen. Sofern die bezeichneten Bücher oder Unterlagen in elektronischer Form geführt werden, muss der Steuerpflichtige nach § 146b Abs. 2 Satz 2 AO auf Verlangen Zugriff auf die Daten gewähren, oder die Daten auf einem maschinell auswertbaren Datenträger überlassen. Die Kosten für diesen Zugriff bzw. für die Überlassung des Datenträgers trägt gem. § 146b Abs. 2 Satz 3 AO der Steuerpflichtige.
Die Finanzverwaltung kann nach § 146b Abs. 3 AO ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung nach § 193 AO übergehen, wenn die Feststellungen bei der Kassen-Nachschau hierzu Anlass geben.
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