Lohnsteuer-Nachschau
Mit dem § 42g Einkommensteuergesetz (EStG) setzt der Gesetzgeber seine bedenkliche Tendenz fort, der Finanzverwaltung zu ermöglichen, Steuerpflichtige unangekündigt und ohne einen gesonderten Anlass zu prüfen.
Wie die Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b Umsatzsteuergesetz (UStG), die Kassen-Nachschau gem. § 146b Abgabenordnung (AO) und die Zölle- und Verbrauchsteuern-Nachschau (§ 210 AO) stellt die Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG eine gesonderte Prüfungsart der Finanzverwaltung dar, auf die Vorschriften der Abgabenordnung über die Betriebsprüfung (§§ 193 ff. AO) nicht anwendbar sind.
Damit sind Regelungen der Abgabenordnung, die dem Schutz von Steuerpflichtigen dienen, wie
die Anordnung der Prüfung angemessene Zeit vor deren Beginn (§ 197 Abs. 1 Satz 1 AO),
die Nennung der Prüfer und des Ortes der Prüfung ((§ 197 Abs. 1 Satz 1 AO),
die Verpflichtung der Prüfer, auch zugunsten des Steuerpflichtigen zu ermitteln (§ 199 Abs. 1 AO) und den Steuerpflichtigen im Laufe der Prüfung über die festgestellten Sachverhalte und steuerliche Auswirkungen dieser Sachverhalte zu unterrichten (§ 199 Abs. 2 AO),
die obligatorische Schlussbesprechung (§ 201 Abs. 1 AO),
der obligatorischer Prüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 AO),
die Möglichkeit einer verbindlichen Zusage (§ 204 AO),
eine Änderungssperre (§ 173 Abs. 2 AO),
etc.
auf die steuerrechtlichen Nachschauen, auch auf die Lohnsteuer-Nachschau gem. § 42g EStG, nicht anwendbar.
I. Zulässigkeit der Lohnsteuer-Nachschau
Nach § 42g Abs. 2 Satz 2 EStG können die mit der Lohnsteuer-Nachschau Beauftragten Grundstücke und Räume von Gewerbetreibenden und sonstigen Selbständigen während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten (§ 42g Abs. 2 Satz 1 EStG) betreten. Das Betretungsrecht umfasst hier Grundstücke und Räumlichkeiten, die der von der Lohnsteuer-Nachschau Betroffene für die Ausübung seiner gewerblichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit nutzt. Nicht vom Betretungsrecht gem. § 42g Abs. 2 Satz 2 EStG sind Wohnräume des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen erfasst.
Zwar erlaubt § 42g Abs. 2 Satz 3 EStG der Finanzverwaltung, im Rahmen einer Lohnsteuer-Nachschau Wohnräume auch gegen den Willen des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu betreten. Allerdings ist diese Regelung verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat es nämlich versäumt, unter § 42g EStG die Einschränkung des Grundrechtes auf den besonderen Schutz der Wohnung nach Art. 13 Grundgesetz (GG) zu erwähnen (Verletzung des sog. Zitiergebots nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Rechtsfolge dieser Verfassungswidrigkeit: die Finanzverwaltung darf im Rahmen einer Lohnsteuer-Nachschau Wohnräume des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen gegen dessen Willen auch nicht zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten.
Das Betreten im Sinne § 42g Abs. 2 Satz 2 EStG erlaubt der Finanzverwaltung — das kann man nicht oft genug betonen — keine Durchsuchung der Grundstücke oder Räumlichkeiten. Der Unterschied zwischen dem „Betreten“ und der „Durchsuchung“ ist Folgender: unter dem Betreten wird das Gelangen in den Raum bzw. auf das Grundstück und der Aufenthalt in dem Raum bzw. auf dem Grundstück verstanden, wobei der Prüfer ohne ein Einverständnis des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen nicht nach Sachen greifen darf, die sich im Raum oder auf dem Grundstück befinden. Ein Beispiel: der Prüfer darf im Rahmen einer Lohnsteuer-Nachschau zwar den Raum betreten, nicht jedoch ohne ein Einverständnis des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen in Ordnern blättern, die im betreffenden Raum stehen.
Unter der Durchsuchung wird „das ziel- und zweckgerichtete Suchen nach Personen oder Sachen“ verstanden, „um etwas aufzuspüren, was der Inhaber des Raumes bzw. des Grundstücks von sich aus nicht offenzulegen bereit ist“. Bei einer Durchsuchung kann der Prüfer deshalb auch ohne ein Einverständnis des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen nach Sachen greifen, die sich im Raum oder auf dem Grundstück befinden. So könnte der Prüfer (z. B. der Steuerfahnder) in Ordnern blättern, die im betreffenden Raum stehen, Notizen des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen durchsehen etc.
II. Durchführung einer Lohnsteuer-Nachschau
Gem. § 42g Abs. 1 Satz 1 AO dient die Lohnsteuer-Nachschau dazu, ordnungsgemäße Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer sicherzustellen. Ermittelt die Finanzverwaltung im Rahmen einer Lohnsteuer-Nachschau allerdings Verhältnisse, die für andere Steuern als die Lohnsteuer erheblich sein können, ist die Verwertung dieser Verhältnisse zulässig, soweit dies für die Besteuerung des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen, bei dem die Lohnsteuer-Nachschau durchgeführt wird, oder für die Besteuerung anderer Personen von Bedeutung sein kann.
Der Gewerbetreibende bzw. Selbständige muss nach § 42g Abs. 3 Satz 1 EStG im Rahmen einer Lohnsteuer-Nachschau Lohn- und Gehaltsunterlagen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere sowie andere Urkunden vorlegen und Auskünfte erteilen, soweit dies zur Klärung lohnsteuerlicher Sachverhalte zweckdienlich ist.
Nach § 42g Abs. 3 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 42f Abs. 2 Satz 2, 3 EStG können auch Arbeitnehmer des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen zur Art und Höhe ihrer Einnahmen befragt sowie aufgefordert werden, Unterlagen und Belege über den Lohnsteuerabzug vorzulegen.
Bezeichnenderweise erlaubt § 42g EStG der Finanzverwaltung im Rahmen einer Lohnsteuer-Nachschau es nicht, auf die EDV des Gewerbetreibenden bzw. Selbständigen zu zugreifen.
Werden bei einer Lohnsteuer-Nachschau Feststellungen getroffen, die hierzu Anlass geben, kann die Finanzverwaltung gem. § 42g Abs. 4 Satz 1 EStG ohne eine Prüfungsanordnung zur Lohnsteuer-Außenprüfung — nicht zu einer allgemeinen Außenprüfung nach § 193 ff. AO — übergehen. Auf den Übergang zur Lohnsteuer-Außenprüfung muss die Finanzverwaltung allerdings gem. § 42g Abs. 4 Satz 2 EStG schriftlich hinweisen.
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