Überblick über einige Prüfungsarten der Finanzverwaltung
Die Steuergesetze geben der Finanzverwaltung diverse Möglichkeiten an die Hand, Steuerbürger außerhalb der Amtsstelle zu prüfen. Zu unterscheiden sind Prüfungen, die die Finanzverwaltung dem Steuerbürger vor dem Prüfungsbeginn regelmäßig ankündigen muss, von den Prüfungen, die unangekündigt erfolgen können.
I. Anzukündigende Prüfungen
Zu Prüfungen der Finanzverwaltung, die regelmäßig einer Ankündigung bedürfen, gehören allgemeine Außenprüfung, Umsatzsteuer-Sonderpüfung und Lohnsteuer-Außenprüfung. Für diese Prüfungsarten hat sich die Bezeichnung „Betriebsprüfung“ etabliert (siehe z. B. die Betriebsprüfungsordnung (BpO) der Finanzverwaltung). Auch ich verwende hier diese Bezeichnung statt des gesetzlich normierten Begriffs der „Außenprüfung“.
Allerdings kann die Finanzverwaltung gem. § 197 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) in Ausnahmefällen von der Ankündigung einer bevorstehenden Betriebsprüfung absehen, wenn der Prüfungszweck gefährdet wird. Eine solche Gefährdung liegt z. B. dann vor, wenn der Steuerpflichtige, bei dem die Betriebsprüfung stattfinden soll, die Ankündigung einer Betriebsprüfung voraussichtlich dazu nutzen wird, Beweise zu vernichten oder weitere Handlungen vorzunehmen, welche die bevorstehende Betriebsprüfung gefährden werden.
Folgende Betriebsprüfungen muss die Finanzverwaltung grundsätzlich ankündigen:
1. Allgemeine Betriebsprüfung
Die allgemeine Betriebsprüfung wird von der Finanzverwaltung regelmäßig auf dem Gebiet der Einkommen- bzw. Körperschaft‑, der Umsatz- und der Gewerbesteuer durchgeführt.
Auf die allgemeine Betriebsprüfung sind die Regelungen der §§ 193 ff. AO anzuwenden. Hinzu kommen Einkommen‑, Körperschaft- und Gewerbesteuerrichtlinien (EStR, KStR, GewStR) sowie Einkommen‑, Körperschaft- und Gewerbesteuerhinweise (EStH, KStH, GewStH) sowie (zahlreiche) Erlasse und Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), des Bundeszentralamts für Steuern, der Landesfinanzministerien und der Oberfinanzdirektionen. Für die Umsatzsteuer ist der Umsatzsteuer-Anwendungserlass des BMF von zentraler Bedeutung.
Die bezeichneten Richtlinien, Hinweise, Erlasse und Schreiben sind allerdings nur für die Finanzverwaltung rechtlich bindend, nicht jedoch für Gerichte und Bürger (siehe näher Allgemeine Außenprüfung).
2. Umsatzsteuer-Sonderprüfung
Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung gehört zu Fachprüfungen, die von der Finanzverwaltung auf dem Gebiet einzelner Steuerarten durchgeführt wird. Auf diese Prüfung sind Vorschriften, die auch für allgemeine Betriebsprüfungen gelten (§§ 193 ff. AO), unmittelbar anwendbar. Die Finanzverwaltung orientiert sich bei der Durchführung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung neben §§ 193 AO am Umsatzsteuer-Anwendungserlass des BMF sowie an Erlassen und Schreiben des BMF, des Bundeszentralamts für Steuern, der Landesfinanzministerien und der Oberfinanzdirektionen.
Für die Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelten einige Besonderheiten, bedingt durch das gesetzliche System der Umsatzbesteuerung (siehe näher Umsatzsteuer-Sonderprüfung).
3. Lohnsteuer-Außenprüfung
Die Lohnsteuer-Außenprüfung gehört, wie die Umsatzsteuer-Sonderprüfung, zu Fachprüfungen der Finanzverwaltung auf dem Gebiet einzelner Steuerarten. Sie ist unter § 42f EStG spezialgesetzlich geregelt. Sofern § 42f EStG keine Sonderregelungen trifft, sind §§ 193 ff. AO auf die Lohnsteuer-Außenprüfung anzuwenden.
Weitere Bestimmungen zur Durchführung von Lohnsteuer-Außenprüfungen enthalten Lohnsteuer-Richtlinien (LStR), Lohnsteuerhinweise (LStH) des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), und (zahlreiche) Erlasse und Schreiben des BMF, des Bundeszentralamts für Steuern, der Landesfinanzministerien und der Oberfinanzdirektionen (siehe näher Lohnsteuer-Außenprüfung).
4. Weitere Sonderbetriebsprüfungen
Das deutsche Steuerrecht sieht die Möglichkeit einer Reihe weiterer Sonderbetriebsprüfungen vor, insbesondere bei Anrechnung und Erstattung von Körperschaft- und Kapitalertragsteuer (§ 50b EStG), bei Abführung von Steuern an der Quelle bei beschränkter Steuerpflicht (§§ 50a EStG, 73d Abs. 2 EStDV), bei Versicherungssteuer (§ 10 VersStG), bei Unternehmen, die dem Rennwett- und Lotteriegesetz unterliegen (7 ff. RennwLottAB), etc.
II. Nicht anzukündigende Prüfungen
Seit etwa 20 Jahren bemüht sich der Steuergesetzgeber, die Kontroll- und Prüfungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung stetig zu erweitern. Insbesondere sollte die Finanzverwaltung die Möglichkeit bekommen, einen Steuerpflichtigen unangekündigt aufzusuchen, um nach steuererheblichen Tatsachen zu forschen.
Zu nicht anzukündigenden Prüfungen gehören in erster Linie sog. Nachschauen, die nicht zu Betriebsprüfungen im eigentlichen Sinn gehören. Folgende Nachschauen sind zu erwähnen:
1. Umsatzsteuer-Nachschau
Nach § 27b Umsatzsteuergesetz (UStG) dürfen Finanzbeamte im Rahmen der sog. Umsatzsteuer-Nachschau Unternehmer an ihrem Geschäftssitz während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit unangekündigt aufsuchen und Vorlage von deren Büchern, Geschäftspapieren und anderen Unterlagen fordern. Werden dabei Unregelmäßigkeiten festgestellt, kann gem. § 27b Abs. 3 Satz 1 UStG ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Betriebsprüfung übergegangen werden (siehe näher Umsatzsteuer-Nachschau).
2. Lohnsteuer-Nachschau
§ 42g EStG gibt der Finanzverwaltung für Zwecke der Lohnsteuer die Möglichkeit, Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit betreiben, während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten ohne vorherige Ankündigung zu betreten. Bei Feststellung von Unregelmäßigkeiten können Finanzbeamten gem. § 42g Abs. 4 Satz 1 EStG ohne vorherige Prüfungsanordnung zu einer Lohnsteuer-Außenprüfung übergehen (siehe näher Lohnsteuer-Nachschau).
3. Kassen-Nachschau
Nach § 146b Abs. 1 Satz 1 AO können Amtsträger der Finanzverwaltung unangekündigt während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke und Geschäftsräume von Personen betreten, um Aufzeichnungen sowie Buchungen der Kasseneinnahmen und Ausgaben des Steuerpflichtigen zu prüfen.
Bei hinreichendem Anlass kann gem. § 146b Abs. 3 Satz 1 AO ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Betriebsprüfung übergegangen werden (siehe näher Kassen-Nachschau).
4. Zölle- und Verbrauchsteuern-Nachschau
Die Steueraufsicht über Zölle und Verbrauchsteuern wird durch eine Zölle- und Verbrauchsteuern-Nachschau gem. § 210 AO flankiert. Nach § 210 Abs. 1 AO können Amtsträger der Hauptzollämter Grundstücke und Räume von Gewerbetreibenden und anderen Selbständigen während der Geschäfts- und Arbeitszeiten ohne vorherige Ankündigung betreten, sofern die betreffenden Personen der Steueraufsicht über Zölle und Verbrauchsteuern unterliegen, oder vermutlich Schmuggelware, oder nicht ordnungsgemäß versteuerte verbrauchsteuerpflichtige Waren im Besitz haben.
Bei Feststellung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen einer Zölle- und Verbrauchsteuern-Nachschau kann gem. § 210 Abs. 4 Satz 1 AO ohne vorherige Ankündigung zur Betriebsprüfung übergegangen werden (siehe näher Zölle- und Verbrauchsteuern-Nachschau).
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