Rechtsschutz gegen Betriebsprüfungen
Gegen Prüfungen der Finanzverwaltung kann der Betroffene Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Allerdings muss jede Rechtsschutzhandlung des Steuerpflichtigen oder seines steuerlichen Beraters — das kann man nicht oft genug betonen — stets am konkreten Einzelfall ausgerichtet sein.
Rechtsschutz gegen Prüfungen der Finanzverwaltung kann unterschiedlich ausgestaltet sein, je nach konkretem Verfahrensstadium einer Prüfung. Folgende zeitliche Abschnitte kann man hier unterscheiden:
I. Vor Betriebsprüfung
Es können konkrete Anzeichen bestehen, die auf eine bevorstehende Betriebsprüfung hinweisen. Zu erwähnen sind etwa Steuerbescheide, die vor einer bevorstehenden Betriebsprüfung unter den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung, AO) oder vorläufig (§ 165 Abs. 1 AO) erlassen werden, um der Finanzverwaltung eine Änderung der Steuerfestsetzung zu ermöglichen.
Mögliche Reaktion des Steuerpflichtigen:
Einspruch gegen die Steuerbescheide oder nur gegen den Vorbehalts- /Vorläufigkeitsvermerk, (§§ 347 ff. AO)
Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 AO)
II. Bekanntgabe der Prüfungsanordnung
Mit der Prüfungsanordnung gem. § 196 AO wird dem Steuerpflichtigen förmlich mitgeteilt, dass er geprüft werde. Mit der Prüfungsanordnung werden in der Regel die Zeit und der Ort der Prüfung sowie der/die Name(n) des/der Prüfer(s) mitgeteilt.
Mögliche Reaktion des Steuerpflichtigen:
genaue Prüfung der Prüfungsanordnung auf etwaige Fehler,
Einspruch gegen die Prüfungsanordnung (§§ 347 ff. AO),
ggf. Ablehnung des Betriebsprüfers nach § 82 AO oder § 83 AO,
ggf. Antrag auf Verlegung der Prüfung (§ 197 Abs. 2 AO),
ggf. Antrag auf die Durchführung der Prüfung an einem anderen Ort (etwa in der Kanzlei des steuerlichen Beraters)
III. Durchführung der Betriebsprüfung
Nach § 199 Abs. 1 AO hat die Betriebsprüfung die Besteuerungsgrundlagen sowohl zuguns-ten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen zu ermitteln. Eine rein profiskalische Betriebs-prüfung ohne Berücksichtigung von Tatsachen, die für den Steuerpflichtigen günstig sind, ist unzulässig.
Je nach der Rechtsqualität von Prüfungsmaßnahmen können dem Steuerpflichtigen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten offenstehen.
1. Prüfungsmaßnahmen, die als Verwaltungsakt zu qualifizieren sind
Mögliche Reaktion des Steuerpflichtigen:
Einspruch gegen die Steuerbescheide oder nur gegen den Vorbehalts- /Vorläufigkeitsvermerk, (§§ 347 ff. AO),
Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 AO)
2. Prüfungsmaßnahmen, die als Realakt / schlicht hoheitliche Maßnahmen zu qualifizieren und einzeln anfechtbar sind
Mögliche Reaktion des Steuerpflichtigen:
Nicht förmliche Rechtsbehelfe (Gegendarstellung, Fachaufsichts- und/oder Dienstaufsichtsbeschwerde),
ggf. Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch das Finanzgericht (§ 114 Finanzgerichtsordnung, FGO)
3. Schlussbesprechung
Auf die Schlussbesprechung hat der Steuerpflichtige gem. § 201 Abs. 1 Satz 1 AO einen Anspruch, wenn die Betriebsprüfung zu einer Änderung von Besteuerungsgrundlagen führt und der Steuerpflichtige nicht auf die Schlussbesprechung verzichtet hat.
Bei einer abgekürzten Betriebsprüfung im Sinne § 203 AO besteht gem. § 203 Abs. 2 Satz 3 AO keinen Anspruch auf die Durchführung der Schlussbesprechung.
Verweigert der Betriebsprüfer rechtswidrig die Durchführung eine Schlussbesprechung kann der Steuerpflichtige dagegen Einspruch erheben (§§ 347 ff. AO).
4. Betriebsprüfungsbericht
Am Schluss der Betriebsprüfung muss gem. § 201 Abs. 1 Satz 1 AO ein Prüfungsbericht abgefasst werden, sofern es sich nicht um eine abgekürzte Betriebsprüfung im Sinne § 203 AO handelt.
Der Prüfungsbericht ist ein Internum der Finanzverwaltung. Deshalb kann der Steuerpflichtige gegen den Prüfungsbericht keinen Einspruch erheben. Erst Steuerbescheide, mit denen Prüfungsergebnisse umgesetzt werden, kann der Steuerpflichtige mit dem Einspruch (§§ 347 ff. AO) angreifen.
Gem. § 202 Abs. 2 AO muss die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag den Prüfungsbericht vor der Auswertung übersenden und dem Steuerpflichtigen Gelegenheit geben, zu Prüfungsergebnissen Stellung zu nehmen.
Weigert sich die Finanzverwaltung rechtswidrig, dem Steuerpflichtigen den Prüfungsbericht zu übersenden, kann der Steuerpflichtige die Übersendung mittels einer Leistungsklage erzwingen.
IV. Erlass von Steuerbescheiden nach der Betriebsprüfung
Gegen Steuerbescheide, die Prüfungsergebnisse umsetzen, kann der Steuerpflichtige Einspruch erheben (§§ 347 ff. AO). Zu beachten ist, dass der Einspruch allein die Vollziehbarkeit der Steuerbescheide nicht beseitigt, d. h. die Finanzverwaltung kann trotz des Einspruchs die Zahlung der festgesetzten Steuer fordern.
Um die Vollziehbarkeit zu beseitigen, muss der Steuerpflichtige zusätzlich zum Einspruch einen Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide (§ 361 Abs. 2 AO) stellen. Bis über den Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung entschieden worden ist, darf die Finanzverwaltung aus den Steuerbescheiden gem. § 251 Abs. 1 Satz 1 AO nicht vollstrecken.
Scheitert der Einspruch, kann der Steuerpflichtige gegen den Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung Klage erheben (§ 40 FGO). Lehnt die Finanzverwaltung den Antrag auf die Aussetzung der Vollziehung ab, oder leitet die Vollstreckung ein, bevor sie über den bezeichneten Antrag entschieden hat, kann der Steuerpflichtige gem. § 69 Abs. 3 FGO bei dem Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Steuerbescheide beantragen.
V. Entscheidung des Finanzgerichts
Weist das Finanzgericht die Klage des Steuerpflichtigen ab, kann dieser gegen das Urteil gem. § 115 Abs. 1 FGO die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) erheben, wenn das Finanzgericht im Urteil die Revision zugelassen hat.
Gegen die Nichtzulassung der Revision kann der Steuerpflichtige bei dem BFH gem. § 116 FGO Nichtzulassungsbeschwerde erheben.
VI. Entscheidung des BFH
Weist der BFH die Revision oder die Nichtzulassungsbeschwerde des Steuerpflichtigen ab, kann dieser gegen die BFH-Entscheidung ggf. eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erheben. Ob dies im konkreten Fall in Frage kommt, bedarf sorgfältiger Prüfung.
VII. Entscheidung des BVerfG
Nach einer ablehnenden Entscheidung des BVerfG kann der Steuerpflichtige ggf. Rechtsschutz bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) oder bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) suchen. Ob dies im konkreten Fall in Frage kommt, muss sorgfältig geprüft werden.