Steuerfahndungsprüfung
Ermittlungsbefugnisse der Steuerfahndung unterscheiden sich deutlich von Ermittlungsbefug-nissen anderer Finanzbehörden.
I. Doppelfunktion der Steuerfahndung
Einerseits besteht die Aufgabe der Steuerfahndung gem. § 208 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) darin, Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten zu erforschen. Andererseits ermittelt die Steuerfahndung im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen auch Besteuerungsgrundlagen (§ 208 Abs. 1 Nr. 2 AO). Abseits des Steuerstrafrechts forscht die Steuerfahndung nach unbekannten Steuerfällen (§ 208 Abs. 1 Nr. 3 AO) und führt im Auftrag von anderen Finanzbehörden weitere steuerliche Ermittlungen einschließlich Außenprüfungen durch (§ 208 Abs. 2 Nr. 1, 2 AO).
Damit lässt das Gesetz eine klare Zweiteilung von Aufgaben erkennen, die der Steuerfahndung zugewiesen sind:
1. Ermittlung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten,
2. Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen.
Der bezeichneten Unterscheidung kommt für den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen zentrale Bedeutung zu: ermittelt die Steuerfahndung Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten hat sie sich nach den Regelungen des (Steuer)-Strafrechts (§ 385 AO, steuerstrafrechtliche Spezialregelungen in dem Einkommensteuergesetz (EStG), dem Umsatzsteuergesetz (UStG) und anderen Steuergesetzen, Regelungen der Strafprozessordnung (StPO), des Gerichtsverfahrensgesetzes (GVG), des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) etc.) zu richten.
Ermittelt die Steuerfahndung Besteuerungsgrundlagen, findet auf diese Tätigkeit das steuerliche Verfahrensrecht nach der Abgabenordnung (AO), Finanzgerichtsordnung und den steuerlichen Spezialgesetzen (EStG, UStG etc.) Anwendung.
Diese Unterscheidung zwischen dem Steuerstrafrecht und dem Steuerrecht hat gravierende Folgen: diese reichen von gesonderten Rechtswegen (steuerstrafrechtliche Ermittlungen bzw. Steuerstrafverfahren: die ordentliche Gerichtsbarkeit; Ermittlung von Besteuerungsgrundla-gen: die Finanzgerichtsbarkeit) bis zu differierenden Rechten und Pflichten des Steuerpflichti-gen in beiden Verfahren.
Bei dem Erscheinen der Steuerfahndung soll der Steuerpflichtige deshalb — ggf. mit fachkundiger Hilfe — als Erstes die Frage klären, in welcher Eigenschaft die Steuerfahndung ihm gegenüber handelt: ob sie Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten oder „lediglich“ Besteuerungsgrundlagen ermittelt. Erst nach Klärung dieser Frage kann der Steuerpflichtige seine Rechte effektiv ausüben.
In diesem Kurzbeitrag beschäftige ich mich nur mit der Funktion der Steuerfahndung als Ermittlerin von Besteuerungsgrundlagen. Der steuerstrafrechtliche Part wird aufgrund seiner Verwurzelung im strafrechtlichen Verfahrensrecht einem gesonderten Projekt außerhalb dieser Webseite vorbehalten.
II. Ermittlung von Besteuerungsrundlagen im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen
Nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO ermittelt die Steuerfahndung im Rahmen der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten auch Besteuerungsgrundlagen. In welcher Eigenschaft ermittelt wird, entscheidet die Steuerfahndung nach ihrem Ermessen, wobei die Rechtsprechung der Steuerfahndung hier einen weiten Ermessensspielraum einräumt.
Für die Rechte und Pflichten des betroffenen Steuerpflichtigen bei Ermittlungen der Steuer-fahndung nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO ist entscheidend, wie diese Ermittlungen nach Außen objektiv einzuordnen sind. Je nach Verfahrensart bestimmen sich die Rechte und Pflichten des betroffenen Steuerpflichtigen gem. § 393 Abs. 1 Satz 1 AO dann entweder nach Strafrecht oder nach Steuerrecht.
Regelmäßig wird die Steuerfahndung auf dem Gebiet des Steuerrechts tätig, wenn dem betroffenen Steuerpflichtigen keine Eröffnung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekanntgegeben worden ist.
Ermittelt die Steuerfahndung Besteuerungsrundlagen im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen, weitet das Gesetz die Ermittlungsbefugnisse der Steuerfahndung erheblich aus. So kann die Steuerfahndung gem. § 208 Abs. 1 Satz 3 AO von anderen Personen als dem Steuerpflichtigen auch mündlich Auskunft und Vorlage von Büchern und anderen Unterlagen verlangen. Dies gilt nach der Aufhebung des sog. “Bankgeheimnisses” (§ 30a AO) auch, wenn bei Banken ermittelt wird. Ferner muss die Steuerfahndung keine Prüfungsanordnung erlassen und keine Schlussbesprechung durchführen. Prüfungsfeststellungen muss die Steuerfahndung allerdings in einem Prüfungsbericht festhalten, sofern diese Feststellungen für das Besteuerungsverfahren relevant sind.
III. Aufdeckung unbekannter Steuerfälle
Der Gesetzgeber hält es für erforderlich, der Steuerfahndung gem. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO auf dem Gebiet des Steuerrechts weitere weitreichende Befugnisse bei der Erforschung unbekannter Steuerfälle einzuräumen (sog. Vorfeldermittlungen), sofern Anhaltspunkte vorliegen, dass bestimmte Personen Einkünfte nicht (vollständig) versteuert haben, oder wenn zwar feststeht, dass Steuern verkürzt worden sind, jedoch unklar ist, welche Person diese Steuerverkürzung begangen hat.
Die Finanzverwaltung hat in einem Merkblatt die Rechte und Pflichten von Steuerpflichtigen bei Aufdeckung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO festgehalten (BMF vom 13.11.2013, IV A 4 — S 0700/07/10048–10, BStBl 2013 I S. 1458).
IV. Steuerliche Ermittlungen im Auftrag anderer Finanzbehörden
Nach § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO können andere Finanzbehörden die Steuerfahndung mit steuerli-chen Ermittlungen einschließlich der Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO beauftragen. Dieser Fall kommt in der Praxis kaum vor.
V. Verfahrensrechtliche Fragen
Je nach Prüfungsauftrag der Steuerfahndung kann eine Selbstanzeige im Sinne § 371 AO ausgeschlossen sein, sofern das Erscheinen der Steuerfahnder als Erscheinen von Amtsträgern zur steuerlichen Prüfung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. c AO zu werten ist.
Darüber hinaus greift bei Prüfungsmaßnahmen der Steuerfahndung gem. § 171 Abs. 5 AO Hemmung der Festsetzungsverjährung, wenn der Steuerpflichtige Kenntnis von betreffenden und gegen ihn gerichteten Prüfungsmaßnahmen hat.
Eine Änderungssperre gem. § 173 Abs. 2 AO aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndung lehnt der Bundesfinanzhof (BFH) grundsätzlich ab.
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